Fantasy Factory aus Heidelberg - Geschichte einer Band im Überblick Mehr zur Geschichte der Heidelberger Band
Das dauerte bis 1977; inzwischen hatte er schon eine Platte auf genommen. Und ich hatte immer noch einen Hintergrund vor allem mit Klassischer Musik, hatte Geige und Bratsche gelernt, im Chor für Adenauer und in Bonn und (bei Gastspielen in) Solingen im Gassenbubenchor der Oper Carmen mitgesungen. Das erste wirkliche Abenteuer war die Einrichtung unseres Proberaumes bei Bekannten der Familie Glaesser (Roland Glaesser, der Schlagzeuger, war in Bonn mein Schulkamerad gewesen). Um den uns überlassenen Kellerraum bauten wir eine Schallschutzkabine: Eine Gitterkabine aus Holzlatten ca. 35 cm vor den Wänden, und dazwischen und Wände bzw. Decke kamen zwei Lagen Matratzen. Für den Transport der weit über 200 - ich glaube, es waren etwa 270 - notwendigen Matratzen mussten wir uns viele Male PKWs ausleihen. Dann probierten wir auch einige Musiker aus, ohne gleich zu Ergebnissen zu kommen. Z.B. eine ansehnliche, wirklich gute Sängerin, die ich ziemlich mochte. Leider entschloss sie sich bald, in die USA über zu siedeln. Ich weiß auch nicht mehr, ob sie nicht mit über meinen Marshall- Gitarrenverstärker hat singen müssen. Den hatte ich, zusammen mit meiner geliebten Fender- Telecaster-Custom Adi, dem Gitarristen meiner früheren Bonner Gruppe Vercingetorix - kein Wunder, drei von uns waren Schüler des humanistischen Beethoven-Gymnasiums - abgekauft. Aber auch Brian spielte ein paar mal bei uns mit, ein hervorragender englischer Straßenmusikant - ich meine, er hatte oder bekam dann irgend wann ein Kind von einer sehr schönen Deutschen. Er hatte mich schon eingeladen, zu seinen Auftritten Solo zu spielen, und die Einnahmen zu meiner Überraschung geteilt. Das waren dann jedes Mal über 40,- Mark für mich gewesen - für mich viel Geld. Brian hatte eine wirklich lange, blonde Matte. Ich muss wohl noch eine Kassette von ihm haben, deren Inhalt ich gerne auf CD bringen würde, aber musikalisch kam Brian nicht von seiner Straßenmusik los. Aber das Abenteuer wurde noch wirklich anrüchig: Nach etwa einem Jahr mussten wir diesen Proberaum verlassen, und das heißt, auch unsere Schallschutzkabine verlegen. Nun kam heraus, warum es dort mehr und mehr muffig gerochen hatte; der Hund der Hausbesitzer hatte sich hinter die Matratzen gedrängt und war dort verendet. Was für ein süßer Tod des kulturbesessenen Wesens! 1978 stieß dann der Bassist Wilfried Haas zu uns (später Heidelberg Dream Band). Mit ihm machten wir unseren ersten Auftritt im Keller des CA. Er brachte deutliche Funk- und Rockjazzeinflüsse in unsere Musik. Mit ihm spielten wir im Rahmen des Heidelberger Herbstes auch im Marstall; zusammen mit Gruppen wie Purple Haze und Aryan, die wir beide gut kennen lernten, und mit denen wir öfters zusammen auftraten - immer unter Nutzung geliehener Wagen. Beim Heidelberger Herbst traten wir noch regelmäßig auf, dann vor dem Marstall. Nach unserem ersten Umzug fanden wir einen Proberaum im Keller eines Afrikaners, der ein Kopiergeschäft betrieb. Da unten probten auch afrikanische Musiker. Damals hatte ich noch meine Marshall-Anlage à la Hendrix, die bestmöglichste, wie mir viele sagten. Um zu verhindern, dass die anderen Musiker die Anlage unsachgemäß benutzten und beschädigten, hängte ich die Lautsprecherbox ab. Resultat: Die Afrikaner achteten nicht darauf, und mein Marshall-Verstärker war kaputt, ohne dass sie je etwas gesagt oder etwa gezahlt hätten. Ziemlich früh in unserer Bandgeschichte spielten wir im Englischen Institut auf. Gleich vor der Bühne tanzte Mani Neumeier, der Schlagzeuger von Guru Guru, eine Zeit lang DIE deutsche Band, zu unserer Musik. Hinterher versicherte er uns, nur wegen der vielen hübschen Mädchen, die da herum hüpften. Natürlich kannten wir uns danach "unter Musikern"; und ein paar Jahre später traf ich ihn auch auf einem Bussbahnhof in Südindien. Später zogen wir in einen Proberaum in einem Keller in Leimen um, ein geräumiges Gewölbe. Wir spielten damals mit drei Musikern, die mehr aus der rockigen Ecke kamen, als wir. Leider mussten wir feststellen, dass sie wenigstens teilweise in den forderen Teil des Gewölbes zu pinkeln pflegten - wir spielten weiter hinten. 1979 entwickelten wir uns erst zu einer vier-, dann fünfköpfigen Gruppe mit Sängerin, und traten ab dann von Euskirchen (hinter Bonn) bis Rottweil auf. In Heidelberg spielten wir bei einer Reihe stadtgeschichtlich erinnerungswerter Momente: 1.) Auf dem "Abschiedsfest" im CA anläßlich seiner Schließung; in einem total überfüllten Raum ganz oben - der Boden bebte vom Getanze der Zuhörer, während unten schon Polizei an gefahren war. Am Samstag danach kam ich grade von einer Probe von Fantasy Factory, und konnte auf dem Uniplatz eine spontane Ansammlung junger Leute beobachten - dass heißt, die standen an den Rändern des Platzes, in der Mitte die Polizei. Ganz in der Mitte schrien sich zwei Polizeioffiziere an, wer eigentlich warum die Räumung des Platzes befohlen habe. Ein Platz war wegen seines Umbaus voller gestapelter Steine, die aber keiner anfasste. Da ich grade erst gekommen war, und noch für das Wochenende einkaufen musste, konnte ich die Fragen der Polizisten auch nicht beantworten. Weiter auf der Hauptstraße sah ich dann, wie die Polizei eine junge, hübsche (ich war wohl 23) Demonstrantin zu Boden riss. Ich rief spontan "Scheiße!" und wurde dann festgenommen. Ich kam also in die damalige Polizei-Zentrale, wurde durchsucht (ich meine, absurderweise musste ich dazu auch meine Hose herunter ziehen) und dann gefragt, warum ich eigentlich hier sei. Ich konnte nur sagen, das wisse ich auch nicht. So wurde ich dann nach Sinsheim (oder war es doch Mosbach?) in den Knast gebracht, weil die Polizei mich für einen Demonstranten gegen die CA-Schließung hielt. Das heißt, ich wurde zusammen mit einem KBWler (Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschland) in einem Polizeikleinbus mehr als 20 km weit nach Mosbach gefahren; in Heidelberg waren zu dieser Zeit offensichtlich schon alle Zellen besetzt. Natürlich war ich an Fahrten als Gefangener der Polizei nicht gewohnt; trotzdem erheiterte es mich doch, dass mein Mitgefangener während der Fahrt wie aufgezogen alle möglichen Plakate an die Fenster presste, sowie wir langsam fuhren, und draußen andere, vor allem junge Leute zu sehen waren. Und dann dies Gefängnis in Mosbach! Mit uns beiden waren seine beiden Zellen dann auch voll. Zuerst einmal musste ich meine Gürtel abgeben, damit ich mich nicht erhängen konnte. Und diese Zelle, wo ich nun etliche Stunden Gelegenheit hatte, über ihren Kübel zu meditieren. Leider wurde ich dann erst nachts in Mosbach entlassen und musste von Glück sagen, dass der KBWler, und mit dem dann ich, vom KBW-eigenen Fahrdienst zurück nach Heidelberg gebracht wurde. Ich hatte deshalb nichts für das Wochenende zu essen, und musste mich am Sonntag bei einer befreundeten WG einladen - später zug ich noch da ein. Während meiner Jahre mit Fantasy Factory wurde ich als Musiker reifer, arbeitete mich mehr in Rock- und Jazzrockstile, die Neue Deutsche Welle und Reggae ein und begann, mehr und mehr deutsche Texte zu schreiben. Auch fing ich an, bei Auftritten wirklich gut auf die Zuhörer zu zu gehen. Als Folge wurde Fantasy Factory immer beliebter, und so konnte ich nach vielen Auftritten nicht mehr über die Hauptstraße gehen, ohne alle Nase lang von begeisterten Leuten gelobt zu werden, die ich nicht kannte. 2.) Auch in der Teestube der Free Clinic in der Brunnengasse hatte ich mit gearbeitet; und so spielte Fantasy Factory auch auf einem Fest gegen deren Schließung in der Free Clinic. 3.) Fantasy Factory war auch die Band, die zur Eröffnung des Heidelberger Schwimmbad Restaurants als Schwimmbad Music Club aufspielte; auch ein Bild davon finden Sie hier (zweite Hälfte) . Hier gaben wir 1982 auch unser letztes Konzert. Natürlich hatten noch weitere unserer Abenteuer nichts mit der Lokalgeschichte Heidelbergs zu tun, erscheinen mir aber doch absonderlich genug, um auch andere zu interessieren: Auch im Leimener Jugendzentrum in einer Baracke nicht weit von den dortigen Tennisplätzen sind wir aufgetreten. Das JZ war wohl selbstverwaltet, denn als wir zum verabredeten Termin mit unserer Anlage ankamen, war es geschlossen. Große Ratlosigkeit. Erst mehr als eine halbe Stunde später kam dann ein Jugendlicher und fragte uns, was wir eine Stunde vor Öffnung hier suchten. Das hat uns aber nicht hindern können, noch einen tollen Auftritt hin zu legen. Aber wir kamen auch weit über Nordbaden hinaus. Bis nach Euskirchen, das liegt westlich von Bonn, und am Tage danach spielten wir dann dort. Zu dieser Zeit traten wir in der rockigsten, am wenigsten avantgardistischen Formation unser Bandgeschichte auf. Mit einem US-ameri- kanischen Sänger. Unsere Kollegen von der Band Aryan nahmen wir mit. Wir alle sprachen diesen Bändnamen Äreien aus - Äreien, die Band mit der Betonung auf dem Ei. Nach beiden Konzerten übernachteten alle Musiker bei meinen Eltern. Den Bus fuhr unser amerikanischer Sänger; er gehörte seinen Eltern, die ein Möbelgeschäft hatten. Das heißt, nach dem Konzert in Bonn beichtete mir unser Sänger, dass er zu viel getrunken habe, und ich den Buss fahren müsse; mit zwei Bands und ihren Anlagen darin. Ich war noch nie mit einem Buss gefahren, und wählte eine Strecke durch ruhige Straßen. Das, woran ich mich am besten erinnere, sind die eindringlichen Ermahnungen unsere Sängers alle paar Meter, ich müsse mit der Bremse vorsichtig sein - denn dies war auch das erste Mal, dass ich einen Wagen mit Bremskraftverstärker fuhr. Dass ich hier davon berichten kann, mag glaubhaft machen, dass ich diese Fahrt überlebt habe. Niemand kam zu Schaden, denn ich "schlich" vorsichtig durch Bonn. Unser südlichstes Konzert gaben wir in einem Schulzentrum in Rottweil. Natürlich mussten wir - teuer genug - einen Transporter leihen. Leider stellte sich schnell heraus, dass der nicht mehr als 65 km/h fuhr. So kamen wir zwei Stunden zu spät in Rottweil an. Bauten unsere Anlagen innerhalb zwanzig Minuten auf und legten los. Im Foyer, denn im Saal spielte eine bekanntere Gruppe aus der Freiburger Gegend, deren Stücke ab und an im Radio liefen. Da war es für uns schon erfreulich, dass nach und nach die meisten Zuhörer zu uns ins Foyer kamen. Grade, als wir die Anlage wieder abbauten, brach in dem Schulzentrum eine wüste Schlägerei aus; und grade am Ausgang ging es am heißesten her. Ich also die Anlagenteile so hoch wie möglich, damit ich wenigstens im Gesicht nichts abbekommen konnte. Da stellte sich mir ein Mann in den Weg. Der sah gar icht glücklich aus und klagte mir, das sei doch so ein gutes Konzert gewesen und wäre so ein toller Bericht mit guten Fotos geworden. Aber die Schlägerei hätte alles verdorben, da werde er in der Lokalzeitung nichts bringen können. Ich immer die schweren Anlagenteile vor der Nase; und dann hatten wir ja auch noch die lange Rückfahrt mit 65 km/h vor uns.
So band ich sie mit dicken Kordeln auf meinem Autodach fest - natürlich waren die Paletten länger, als dieses, aber kürzer, als mein Kadett. Immerhin war ich vorsichtig genug, um behäbig zu fahren, und kam mit meiner Ladung ohne Probleme hin und zurück. Wie gesagt, ich bin nicht stolz darauf - oder doch, ein bißchen? Ich musiziere bis heute und trete auch öffentlich auf, inzwischen auch als Saxofonist; trotz einer fast tödlichen Verletzung durch Politische Gewalttäter. Auch der Bühne herumtanzen kann ich deshalb natürlich nicht mehr; sondern muss im Sitzen auftreten. Warum ich nicht Berufsmusiker geworden bin? Weil ich die Musik liebe, und es gehasst hätte, mich zu verkaufen.
|