Auch zum Nacktbaden an Baggerseen fuhren wir häufig; was natürlich auch mit Autos erheblich besser ging. Nach einiger Zeit gab es dort eine ganze Menge Leute, die mich kannten. Das heißt, meine Musik kannten sie auch, denn meine Gitarre hatte ich natürlich mit. Denn damals übte ich zwar schon wegen meiner Sehnenscheiden nicht mehr acht Stunden am Tag, aber ganz ohne Klampfe wäre ich nun doch nicht Baden gefahren. Zu dieser Zeit hatte ich Fantasy Factory
schon aufgelöst, aber hatte immer Gelegenheit, zu spielen,
mit wem ich wollte. Unter anderem erhielt ich ein Angebot von einem schwarzen amerikanischen Profischlagzeuger, der zuvor zusammen mit dem Rockjazzbassisten Stanley Clarke gespielt hatte. So mein Können auf Herz und Nieren geprüft wie er hatte noch nie ein Musiker. Aber ich wollte nicht von An. getrennt werden; und sie wollte nach Indien. Nicht, daß ich sonst etwas dagegen gehabt hätte. Wenn schon nicht Nepal... So also fuhren
An. und ich im Herbst 1983 zusammen und über Land nach Indien,
mit den dort üblichen Reisebussen durch die Türkei
und durch den Iran... Vom Iran aus wechselten wir bei Quetta nach Pakistan. Bei Paki- stanern, die wir auf der Reise kennengelernt hatten, konnten wir vor dem Übergang nach Indien übernachten. Nach Delhi fuhren wir mit dem Zug, und von da aus nach Bangalore. Hier wollte An., die damals gerne Psychotherapeutin geworden wäre, zu Jackie Schiff, Begründerin zu Recht nicht anerkannten Transak- tionsanalyse für Schitzophrene, ins "Athma Shakti Vidalaya". Dort blieben wir sechs Wochen; es war, wenigstens für mich, eine harte Zeit. Ich bin der Überzeugung, daß sie ihre eigene Meise hatte. Jackie Schiffs Behandlungsmethoden ware schlichtweg brutal. Von dort aus fuhren wir über die Backwaters bis zu einem großen Naturschutzgebiet und dann an einen Strand, wo es viele Kiffer gab und ich - kurz davor an einem Bussbahnhof- Mani Neumeier, den mir schon bekannten Chef der profilierten deutschen Rockgruppe "Guru Guru" traf. Kakerlaken sahen wir auch hier. Eine stürzte sich , halb von einer Ratte aufgefressen, von einem Dachbalken unseres Zimmers in einem Bauernhaus auf unser Bett, auf dem wir grade lagen. Dort zappelte sie noch ein bißchen, bevor sie verblich. Dann
reisten wir bis zur Südspitze Indiens und bewunderten Tempel wie
Teeplantagen. Wir begegneten Freaks wie Entwicklungshelfern, und
reisten entlang seiner Ostseite wieder Richtung Norden, bis nach
Bombay. Von da aus fuhren wir wieder nach Delhi und verließen Indien,
nachdem wir uns noch das Taj Mahal angeschaut hatten. Diese lange Reise
nach und innerhalb Indiens legten wir mit Bussen zurück. Ich habe sie
nie bereut.
Ich besitze eine reichbebilderte Dokumentation
über diese Reise, die ich aus meinen Tagebuchaufzeichnungen
erstellt habe. Einer der wichtigsten Schritte in meinem ganzen
Leben, denn in dieser Situation ließ ich mich wirklich
auf die hier angebotenen Möglichkei- ten ein und entdeckte
zum ersten Male ein gutes, mir neues Stück meiner eigenen
Gefühle. Selbst wenn ich natürlich erst mal weiterhein
verzweifelt war, sollte ich die hier bestehenen Möglichkeiten
nie mehr vergessen.
Kurze Zeit später wurde ich von meinen
Eltern abgeholt, zog zu ihnen nach Bonn, und suchte endlich intensiv
nach Arbeit. Die war natürlich nicht so leicht zu finden,
erstmal spielte ich wieder, so wie schon in Hannover, in einer
Band mit und machte einen großen Auftritt beim Bonner Sommer
- nur als Sänger - mit. Schließlich zog ich wieder in eine WG, in eine Villa in der Ubierstraße. Die Hauptmieterin I. R. (mit Sohn Sascha) liebte es, unbekleidet durch die Wohnung zu spazieren, wenn sie einen ihrer Mitbewohner verwirren konnte. Mich konnte sie nicht verwirren, ich war schon aus der WG in Heidelberg gewohnt, An., Siulie (sah sehr gut aus) oder Denise (erst 16, aber auch sahnemäßig gebaut) hüllenlos der Sommerhitze trotzen zu sehen. Zur Mutter meiner Söhne, denn die kannte ich jetzt auch, mehr später. Weiterhin ließ ich mich, um meine
Chancen zu verbessern, Arbeit zu finden, in Betriebswirtschaft/Schwerpunkt
Marketing weiterbilden, in Frankfurt, wohlgemerkt. Die ersten
paar Wochen wohnte ich jetzt in Gravenbruch bei meinem Onkel
Wolfgang, dann zog ich nach Höchst in eine WG.
Als ich mit dieser Weiterbildung fast fertig war, kaufte ich mir einen Computer und Drucker, sodaß ich meine Bewerbungen jetzt selber schreiben konnte. Schließlich hatte ich auch etwas EDV gelernt. Mit Erfolg; ich wurde sofort im Anschluß daran "Referent für Öffentlich- keitsarbeit" beim BDS (Bundesverband der Selbständigen) und damit Redakteur ihrer Verbandszeitung "Der Selbständige". 1987 noch was ganz Besonderes: "Diese Bewerbung wurde mit dem eigenen Personal Computer erstellt" - ja, so bekam ich diese Arbeit. Seitdem (Mai 1987) schrieb ich nicht nur zahlreiche Artikel, sondern half auch unter strenger Anleitung des BDS- Geschäftsführers (gleichzeitig Chefredakteur) bei Korrektur und Umbruch dieser Verbandszeitung.
Wie schon erwähnt, lasse ich diese Teile bis nach der Überarbeitung weg. Gehen wir gleich weiter. In Sinsheim zu einem Therapie-Wochenende bei Jeff Gordon war ich öfter. Jeff und Julia, seine Frau, kannte ich schon aus der Freeclinic, wo sie zuvor auch schon gearbeitet hatten. Oft fuhr ich mit Dermot und Christina aus St. Augustin, und eine Kölnerin kam auch mit. Zeitweise waren wir sehr häufig in Sinsheim, und ich entdeckte immer mehr, wie ich besser zu mir sein konnte. Hier lernte ich auch die Mutter meiner
Söhne und bald Frau kennen. Sie war katholisch, kam aus
Köln, und nahm mich gleich im Auto mit nach Bonn. Als ab
zu sehen war, dass ich meine betriebswirtschaftliche Zuatzausbildung
erfolgreich abschließen würde, fragte sie mich, ob ich nicht Kinder mit ihr wolle. Ich sagte ja. BDS-Präsident war die meiste Zeit Willi-Peter Sick, ein ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, der offizielle Verfasser der BDS- Presseerklärungen. Nur die Vorlagen stammten von mir, und bevor ich sie in die Fächer der in der Bundespressekonferenz vertretenen Redaktionen verteilen durfte, wurden sie noch vom Bundesgeschäfts- führer redigiert und am Telefon Sick vorgelesen, der noch ein paar Kommentare (= Änderungen) beitrug.
Und einmal im Monat fuhren wir, das heißt
Herr Dünner und ich, nach Gerabronn zu Herrn Wankmüller,
Vorsitzender des Gerabronner BDS-Ortsvereines und Eigentümer
des Hohenloher Druck- und Verlagshauses, wo DS (= Der Selbständige)
gedruckt wurde; immer, wenn Umbruch angesagt war. Es war eine
lange Fahrt, und Herr Dünner schrieb die Leitartikel meistens
im Hotel, wenn er sein Abendessen verdrückt hatte. Natürlich
konnten wir nicht immer in Gerabronn übernachten, oft mußten
wir in z. T. historische Nachbarorte ausweichen, und einmal übernachteten
wir sogar in Rothenburg Ob Der Tauber. In
Sinsheim zu einem Therapie-Wochenende bei Jeff und Julia Gordon war ich
öfter. Jeff und Julia, seine Frau, kannte ich schon aus der Freeclinic,
wo sie zuvor auch schon gearbeitet hatten. Mir ist nicht ganz klar, was
alles ich noch selbst wusste, oder was mir nach meiner Verletzung
erzählt wurde, als ich wieder nach Sinsheim mit fuhr. Wir lagen nicht nur, wie damals üblich, Männer und Frauen dicht gedrängt zwischen unseren Saunabesuchen nackt auf den Matten im Saunavorraum, sondern hatten auch oft nur Unterhosen an, wenn wir zu zweit auf den Matten arbeiteten. Nur wenn die Frauen das Haus verließen, zogen sie dann doch BHs an. Gegen Ende des Workshops arbeitete ich dann in der Einstellungs- gruppe; denn natürlich reicht es nicht, nur immer näher an seine Gefühle zu kommen. Hier arbeitet man unmittelbar mit dem Therapeuten. Ich brauchte ziemlich lange, um eine neue, sinnvolle Einstellung zu identifizieren, und kam schließlich auf : "Ich tanze nicht nach deiner Pfeife!" Jetzt musste ich dies noch (zur Übung anderen Teilnehmern der Einstellungsgruppe gegenüber) vertreten. Das ganze hatte, wie schon erwähnt, schon ziemlich lange gedauert. Und als ich nun meine neue Einstellungen anderen gegenüber vertreten sollte, fiel mir auf, dass ich auf dem falschen Platz saß. Ich probierte nun diesen und jenen Platz aus, wobei ich mit den bisher dort Sitzenden tauschte, zuletzt auch den des Gruppenleiters Jeff. Hier rief ich nun: "Ich pfeife nicht nach deiner Tante!" Natürlich dauerte es eine ganze Weile, bis sich die Gruppe wieder einkriegte. Ich möchte zu bedenken geben, dass
ich eben noch auf dem Wege war, und auch meine großen beruflichen
und neue musikalischen Erfolge jetzt als R&B-Musiker nicht ohne Grund noch bevorstanden.
Der Erzähler meinte dann bei einem Rundgang, dass er mir
nun, nachdem er mir alles berichtet habe, viel näher gekommen
sei, als zum Zeitpunkt meiner Taten. Ich also machte weiter bei der Arbeit an meiner Persönlichkeit, nicht ohne Erfolg. Im Mai 1991 kam dann in Sieglar bei Bonn Nicolai zur Welt. Musik machte ich natürlich auch jetzt.
Zunächst mit einer Band - frage mich nicht, wie sie hieß
- im Rheinauenpark und dann bei den Bluessessions vor allem
im Syndikat und der Jazze (Jazz Galerie), wo schon auf fiel,
daß ich gut Gitarre und Saxophon spielte und dazu sang.
Auch, daß auffiel, wie ich dabei mit meinem langen Kabel
über die Bühne tantzte, und auf Tische kletterte,
habe ich mir erzählen lassen - und ich bin stolz darauf. Jedenfalls gründeten wir, das heißt, einige Musiker, die mich bei den Blues-Sessions kennengelernt hatten, und ich, Cash-Rabbit (Knete-Kaninchen), keine Band, die auch noch probte, sondern eine Gruppe mit der Möglichkeit, "einfach so" anfallende Auftritte miteinander zu absolvieren. Und das taten wir, von Köln bis zum Bodensee. |